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Therapiehunde als Helfer der Justiz

Tiere als Opferhelfer vor Gericht sind bei uns noch selten. Dabei können sie Opfern wie Zeugen die Aussage erheblich erleichtern, wenn es darum geht, sich in der unpersönlichen Öffentlichkeit eines Gerichtssaals oder einer Polizeistation Details eines Gewaltverbrechens erneut ins Gedächtnis zu rufen, an die sich niemand gerne freiwillig erinnern möchte.

Tiere als Opferhelfer vor Gericht sind bei uns noch selten. Dabei können sie Opfern wie Zeugen die Aussage erheblich erleichtern, wenn es darum geht, sich in der unpersönlichen Öffentlichkeit eines Gerichtssaals oder einer Polizeistation Details eines Gewaltverbrechens erneut ins Gedächtnis zu rufen, an die sich niemand gerne freiwillig erinnern möchte.

Therapiehunde können Stress reduzieren

Mit der Hand im Fell eines Vierbeiners kann es so viel leichter sein, den Hergang einer Straftat fremden Menschen wie Polizisten, Richtern, Anwälten und Beobachtern genau zu schildern, insbesondere, wenn im Gerichtssaal auch noch der oder die Täter sitzen. Es ist eine extreme Belastung für die Betroffenen, die durch die Nähe eines Hundes oder auch eines anderen Tieres ihre schlimmsten Spitzen verlieren kann. Denn Streicheln beruhigt, senkt Blutdruck und Pulsfrequenz und baut Stress ab. Opfern, vor allem Kindern, kann es leichter fallen, erlebte Grausamkeiten dem Hund oder dem Kaninchen zu erzählen als einem Richter, Polizisten oder Anwalt.

Speziell geschulte Hunde, aber auch andere Tiere dienen in vielen sozialen und psychologischen Bereichen als Vermittler und Assistenten: Ihnen vorzulesen verbessert die Leseleistung von Kindern und hilft über Sprachstörungen hinweg. Bei Posttraumatischer Belastungsstörung bauen sie Brücken in ein normales Leben, sie sind Sozialvermittler und integrative Helfer für Menschen mit Kommunikationsproblemen, sie vertreiben Einsamkeit und erweisen sich als Türöffner zur menschlichen Seele in der Psychotherapie.

Opfer oder Zeuge eines Gewaltverbrechens zu werden ist furchtbar. Vernehmungen und Verhandlungen dazu reißen kaum dürftig vernarbte Seelenwunden wieder auf, erlauben kein Vergessen, damit die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können. Oft genug sind Opfer mehreren Anhörungen ausgesetzt. Die wenig empathische, sachliche Atmosphäre von Gerichtssälen und Polizeirevieren, der Druck durch Vernehmungen und Verhandlungen verunsichert, kann die Erinnerung der ohnehin traumatisierten Betroffenen blockieren und dadurch die Rekonstruktion eines Verbrechens erschweren. Schlimmer noch: kann dem eigentlichen Trauma ein weiteres hinzufügen.

Gerichtshunde – Beitrag zum Opferschutz

Dass die als negativ empfundene Atmosphäre vor Gericht Zeugenaussagen beeinträchtigt und retraumatisierend sein kann, ist inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen. „Die Opfer von Straftaten sind erheblichen Belastungen ausgesetzt. Ihr Wohlbefinden und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren sind im Vergleich zur Gesamtbevölkerung unterdurchschnittlich und sie weisen in erhöhtem Maß Traumasymptome auf“, heißt es in einer im Auftrag des Weißen Rings durchgeführten und 2017 veröffentlichten  Studie. „Nach der Aktenanalyse werden eine Reihe dem Opferschutz dienender Vorschriften der Strafprozessordnung in Ermittlungsverfahren selten angewandt,“ heißt es darin weiter, und in einem Interview äußert sich die Leipziger Opferanwältin Ina Alexandra Tust zum Thema: „Wir müssen die Leute mehr darüber informieren, welche Möglichkeiten die Betroffenen, die Opfer haben und dann versuchen, das, was wir schon haben, besser umzusetzen.“ Ob ein Tier im Gerichtssaal zugelassen wird, ist allerdings eine Entscheidung des Richters. Und hier ist das Wissen über die positive psychologische Wirkung von Tieren noch gering. 

Therapiehunde müssen für die Aufgabe ausgebildet werden (Foto: Patricia Lösche)

In den USA und Canada wird die ausgleichende Wirkung von „Courthouse facility dogs“ (Gerichtshunden) dagegen seit 2014 zunehmend bei der Vernehmung und Zeugenaussage von Kindern und Jugendlichen genutzt. Speziell dafür ausgebildete Assistenz- bzw. Therapiehunde helfen ihnen, die belastende Stresssituation im gerichtlichen Umfeld zu meistern und sie erzählen die Geschichte ihres sexuellen Missbrauchs und ihrer Gewalterfahrung eher dem freundlichen Labrador als der Staatsanwältin, mag sie auch noch so einfühlsam fragen. „Als rechtlich neutrale Begleiter können sie bei Untersuchungen und Gerichtsprozessen im Zusammenhang mit Straftaten den sensibleren Zeugen helfen, ihre Aussage zu machen, und genauer zu schildern, was passiert ist“, heißt es bei der Courthouse Dogs Foundation.

Gerichtshunde brauchen spezielle Ausbildung

Die Foundation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ausbildung und Einsatz von Hunden als Gerichtsassistenten zu fördern. Bis zu zwei Jahren kann es dauern, bis so ein Helferhund Opfern vor Gericht erstmals zur Seite steht, um ihnen die Aussage zu erleichtern. In Deutschland obliegt, wie gesagt, Gerichten und Richtern die Entscheidung, ob ein Therapietier mit in die Verhandlung darf oder nicht. Vereinzelt wurde die Anwesenheit eines Hundes bereits zugelassen. Wünschenswert wäre es, diese Option den Opfern generell zu ermöglichen. Vor allem Kindern könnten profitieren von einem entsprechend ausgebildeten Hund, oder auch von einem anderen geeigneten Tier auf dem Schoß, das während der Vernehmung oder der Aussage vor Gericht gestreichelt werden kann. Ein kleines Zugeständnis, das für die Opfer eine große Bedeutung haben kann.

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