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Ventilfunktion oder Schädigung: Können psychische Probleme bzw. Verhaltensstörungen Erkrankungen auslösen?

Eine wesentliche Voraussetzung für den richtigen Umgang mit dem Pferd ist auch die Kenntnis, wie Pferde lernen. Zu kognitivem Lernen sind sie nur ausnahmsweise in der Lage. Sie lernen vor allem durch Gewöhnung, operative und klassische Konditionierung, Nachahmung und Prägung. Dementsprechend können Pferde in der Regel keine Ereignisse verknüpfen, die zeitlich auseinanderliegen. Lob und Strafe müssen unmittelbar mit der Aktion verknüpft sein, die der Mensch positiv oder negativ bewertet.

Wichtig ist zudem, das „Richtig gemacht“ zu belohnen und nicht nur Strafe wegzulassen, wenn eine Aufgabe vom Pferd gut gelöst wurde. Nur durch Lob kann das Pferd verstehen, was man von ihm möchte, nur durch Lob wird die Motivation gestärkt und die Pferd- Mensch-Beziehung positiv empfunden. Von Bedeutung für die Lernprozesse ist zudem, dass sich Pferde – wie auch der Mensch – nur eine gewisse Zeit konzentrieren können. Dies ist individuell unterschiedlich und hängt unter anderem vom Alter und Charakter ab. Erfahrungsgemäß können sich junge Pferde maximal 10, erwachsene Pferde maximal 20 Minuten am Stück konzentrieren.

Einige Verhaltensstörungen haben für das Pferd durchaus eine positive Wirkung, indem sie eine Bewältigungsstrategie oder Ventilfunktion darstellen, die dem Pferd hilft, mit Umweltbedingungen fertig zu werden, die sein Anpassungsvermögen überfordern. Laut einer Umfrage unter den Mitgliedern der britischen National Racehorse Trainers‘ Federation sind Galopprennpferde mit Stereotypien (Koppen, Weben, Boxenlaufen und Holzkauen) weder häufiger krank noch weniger leistungsfähig als Pferde ohne stereotype Verhaltensstörungen.

Dies bestätigt auch eine an der Universitätstierklinik Zürich durchgeführte Untersuchung, laut der nur 7 % der dort operierten Kopper vorher unter Gesundheitsproblemen wie rezidivierender (in Abständen wiederkehrender) Kolik oder Abmagerung litten. Dennoch kann im Einzelfall durchaus ein Zusammenhang zwischen einer Verhaltensstörung und gesundheitlichen Problemen bestehen. So weisen Aufsetzkopper zum Beispiel nach Jahren einen erheblichen Abrieb der Zähne auf. Stereotypes, exzessives Scharren wiederum kann bei einigen Pferden in Extremfällen zu Infektionen im Hufbereich oder bei mangelnder Korrektur über Fehlstellungen auch zu sekundären orthopädischen Schäden führen.

Auch bei Automutilationsverhalten (Autoaggression) können erhebliche Schäden als Folge auftreten, dann etwa, wenn es zu Infektionen der durch das Pferd selbst verletzten Bereiche kommt. Stereotypien wie das Koppen können zu Veränderungen der Neurotransmittersysteme (Botenstoffe) im Gehirn führen, womit eine Erkrankung eines Organs vorliegt. Dadurch treten Stereotypien auch dann noch auf, wenn die Ursachen längst beseitigt sind. Dies unterstreicht, dass eine Verhaltensstörung wie jede andere Erkrankung eine sorgsame, fachgerechte und umfassende Behandlung erfordert.

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